Die „Partnerschaft für Demokratie“ hat intensiv mit Frau Monja Krafft zusammengearbeitet, um das Projekt „KiTas als Lern- und Begegnungsorte für kulturelle und religiöse Vielfalt“ trotz der Covid-19 Pandemie durchführen zu können. Frau Krafft erläutert in ihrem nachfolgenden Projektbericht auch die diesbezüglichen Anstrengungen, ein Grund mehr den Bericht in Gänze hier abzudrucken. Das Projekt bediente das Leitziel 1 “ Zuwanderung begleiten“ mit dem Mittlerziel „Multiplikatorenschulung“ und das Leitziel 2 „Engagement vernetzen“ mit dem Mittlerziel „Vernetzung kommunaler und zivilgesellschaftlicher Akteure“ der „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Aurich“.
Bericht zum Projekt „KiTas als Lern- und Begegnungsorte für kulturelle und religiöse Vielfalt“
von Monja Krafft
Vorbemerkung:
Ursprünglich war eine große Tagung mit 50 Personen zu o.g. Thema geplant. Aufgrund der aktuellen Situation war dies leider nicht möglich. Nach langen Überlegungen, ob und wie die Veranstaltung stattfinden kann, entschieden wir uns nach Absprache mit Herrn Dr. Golke von der Fach- und Begleitstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Aurich für ein neues Veranstaltungsformat. So haben wir statt einer großen Fachtagung zwei
Workshops mit reduzierter TN-Zahl zu dem Thema angeboten. Da jedoch die aktuellen Vorgaben des Landes in Bezug auf die Coronamaßnahmen immer wieder dem Infektionsgeschehen angepasst werden mussten, war in der Planungsphase nicht klar, ob selbst das neu erdachte Format stattfinden kann. So baten wir vorsorglich die Referentin Frau Dr. Jamal darum, ihren Vortrag „Vielfalt in Kita – Aufgaben interreligiöser Bildung“ im Vorfeld digital aufnehmen zu dürfen. So hätten wir im Notfall auf eine Online-Veranstaltung ausweichen könnten. Frau Dr. Jamal war gerne bereit dazu und wir nahmen den Vortrag am 02.10.20 im Europahaus digital auf.
Diese Aufnahme schickten wir im Vorhinein des ersten Workshops den angemeldeten TN online zu. Der Vortrag sollte zur Einstimmung und ersten Auseinandersetzung mit dem Thema im Homeoffice von den Teilnehmenden angeschaut werden (https://www.youtube.com/playlist?list=PL6gDHZ-8ox1eIzOhgd4S5wNVhyuheYrwk).
Dieses Verfahren beinhaltete eine Betreuung durch unseren Techniker, der die inhaltlich-technische Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung leitete. Frau Dr. Jamal gab ihr Einverständnis dazu, ihren Vortrag öffentlich (auch auf anderen Plattformen) zur Verfügung zu stellen.
Um die Hygienebestimmungen und den Mindestabstand gut einhalten zu können, haben wir die Workshops für max. 10 Personen ausgeschrieben. Im „Johannes-Diekhoff-Saal“ konnten wir mit der TN-Zahl gut arbeiten, da dieser Platz für 80 – 100 Personen bietet. Bei Gruppenarbeiten wichen wir auf einen weiteren Raum aus. Die Räumlichkeiten mussten wir nun für zwei Workshoptage statt für einen Fachtag vorhalten. Auch die Stundenzahl von Frau Krafft erhöhte sich durch die Änderung des Veranstaltungsformates und ihre Rolle als Seminarleitung in beiden Workshops.
Die geringe TN-Zahl bot durchaus die Chance für ein intensiveres Arbeiten und einen besseren Austausch. Daher beschlossen wir, das Thema so praxisnah wie möglich zu vermitteln. Darüber hinaus sollten die Fachkräfte ein reales Handwerkszeug für die pädagogische Arbeit erhalten. Ferner sollte es Ziel sein, auch über diese Workshops hinaus ein erprobtes und nachhaltiges Angebot für KiTas in der Region vorzuhalten. In diesem Zusammenhang schafften wir im Vorfeld interkulturelle und interreligiöse Materialien an (Fach- und Kinderliteratur, Spiele, Puzzle etc.), die von den TN nach dem ersten Workshop erprobt und im Rahmen des zweiten Workshops reflektiert wurden.
Diese Materialien stehen nun allen KiTas im Landkreis zur kostenlosen Ausleihe zur Verfügung. Hier arbeiten wir mit der Arbeitsstelle für evangelische Religionspädagogik in Ostfriesland (ARO) zusammen, die über ihr Bibliotheksangebot mit u.a. interreligiösen Schwerpunkt ein ohnehin schon breit aufgestelltes Netzwerk von KiTas aus der Region vorweisen kann. Hierdurch bekommt die Veranstaltung einen nachhaltigen Charakter und der Wirkungskreis des Projektes erhöht sich über die TN hinaus.
Workshop am 19.11.20:
Zu Beginn des Workshops nahmen wir eine digitale thematisch einleitende Bestandsaufnahme aus den KiTas der TN vor. Über das Programm „Mentimeter“ antworteten die TN auf 18 Multiple-Choice-Fragen zum interkulturellen und interreligiösen Alltag in der KiTa. Sie loggten sich mit ihren Smartphones in das Programm ein und ihre Antworten wurden direkt im Seminarraum auf der Leinwand grafisch dargestellt. Dies ermöglichte einen
Überblick an Themen, die die TN in den Einrichtungen beschäftigten. Erste thematische Diskussionen wurden initiiert.
Daran anknüpfend stellten die TN Fragen zum Vortrag „Vielfalt in KiTa – Aufgaben interreligiöser Bildung“ an Frau Dr. Jamal. In der Diskussion wurde herausgearbeitet, dass Nicht-christliche Kinder in den KiTas keine Ausnahme darstellten. Religiöse und kulturelle Pluralität bestimmten den Alltag der Fachkräfte. Ein kultur- und religionssensibles Handeln in der KiTa sei daher nötig, um diesbezügliche Gemeinsamkeiten aufzudecken und Verschiedenheit als normal zu betrachten. Eine Tabuisierung von kulturellen und religiösen Unterschieden könne schon früh Vorurteile festigen. Dies wiederum öffne den Weg für spätere Ausgrenzungsmechanismen und Fundamentalismus.
Wie sich die Pluralität der Kinder und Familien in der Lernumgebung der KiTa widerspiegeln kann, erläuterte Frau Krafft in ihrem Vortrag „Lernumgebung interkulturell und interreligiös gestalten“. Hier wurde herausgearbeitet, wie wichtig es sei, die Identitätsaspekte der Kinder und Familien in der Bildungsarbeit aufzugreifen. Dies ermögliche ihnen ein Erfahrungslernen. Die TN kamen in einer Diskussion zum Vortrag zu der Erkenntnis, dass ein Kind, das in der KiTa etwas aus eigenen und anderen Familientraditionen erfahre und Neues entdecke, in seiner eigenen Identität gestärkt würde. Es werde offen für andere Weltanschauungen und Religionen. In diesem Zusammenhang wurden viele konkrete Praxisbeispiele aufgezeigt.
Vor der Mittagpause stellte Jann Janssen anschaulich musikalische Beispiele und Methoden unter interkulturellen und interreligiösen Aspekten vor. Die TN erarbeiteten im Anschluss Möglichkeiten der Umsetzung für ihren persönlichen KiTa-Alltag.
Nach der Mittagpause bekamen die TN die Gelegenheit, sich intensiv mit den zur Verfügung gestellten Materialien auseinanderzusetzen. Sie erarbeiteten in Kleingruppen, welche Themen oder Projekte sie bis zum nächsten Treffen am 30.11.20 in ihrer KiTa umsetzen möchten. Dazu suchten sie sich das passende Material zur Ausleihe aus.
Zum Abschluss stellte Frau Dr. Jamal die von ihr entwickelte Methode des interreligiösen Bodenbilderlegens[1] vor. Die TN konnten sich aktiv an dieser Methode beteiligen, so dass eine Umsetzung mit dem Material auch in ihrer jeweiligen KiTa möglich ist.
Workshop am 30.11.20 (Reflexionstreffen)
Im ersten Schritt des Workshops reflektierten die TN die Umsetzung und den Mehrwert der zuvor ausgeliehenen Materialien für ihre pädagogische Praxis. Dazu bekamen sie Fragestellungen, die sie in Kleingruppen erarbeiteten. Im Plenum wurden die Materialien noch einmal vorgestellt und die Ergebnisse aus den Kleingruppen zusammengefasst. Alle TN sahen einen Mehrwert in der Nutzung der Materialien. Die Herangehensweise war unterschiedlich:
- TN nutzten Fachliteratur als Input in einer Teambesprechung
- TN nutzten (Spiel-)Materialien im pädagogischen Alltag mit Kindern
- TN nutzten Kinderliteratur im Morgenkreis
- TN initiierten mit den Kindern ein musikalisches Projekt
Alle TN gaben positive Rückmeldungen zum Einsatz der ausgeliehenen Materialien. Einige TN berichteten, dass durch die Materialien z.T. eine offenere Atmosphäre in der KiTa entstanden sei. Kinder und Team wurden neugierig gemacht und kamen ins Gespräch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Kinder erzählten von den Traditionen und Gewohnheiten zu Hause, erklärten den anderen Kindern beispielweise muslimische Spiele und spielten diese in der Gruppe nach. Leider durften die Eltern in den meisten Fällen aufgrund von Corona die Einrichtung nicht betreten. Dennoch erzählten die Kinder zu Hause von den neuen Projekten und Eltern brachten traditionelle Rezepte oder Kinderlieder mit.
Darauf aufbauend sollte es in der nächsten Übung „Spurensuche“ darum gehen, die Lernumgebung über interkulturelle und interreligiöse Projekte hinaus vielfältig zu gestalten. Jedes Kind soll sich und seine Familie mit den jeweiligen Besonderheiten im KiTa-Alltag wiederfinden.
Die TN machten eine gedankliche Reise durch die KiTa und begaben sich auf Spurensuche nach den Merkmalen der Kinder: Spiegeln die aktuelle Wandgestaltung, die Spielmaterialien und -ecken, die Bilderbücher etc. jedes Kind mit seinen individuellen Interessen, seiner Hautfarbe, seiner Sprache(n), seiner Familienkonstellation, seiner Wohnsituation, und seiner Religion wider? Wer oder was fehlt? Wie können wir dies ändern?
Im nächsten und letzten Schritt erarbeiteten die TN mit der Methode „Vielfalts-Fächer“, wie sie ihren persönlichen Blick für eine dauerhaft vielfältige Lernumgebung öffnen und sensibilisieren können.
Im Rahmen der Evaluation definierten die TN ihre hinzugewonnenen Kompetenzen. Sie nahmen die Workshops als sehr praxisrelevant wahr und wünschten sich, an diesem Thema (möglichweise mit dem jeweiligen KiTa-Team) weiterzuarbeiten. Die geringe TN-Zahl wurde als sehr positiv wahrgenommen, da ein intensiveres und individuelleres Arbeiten möglich wurde.
[1] https://www.interreligioes-bilden.de/